Zum Start dieses Firmen-Blogs fragte Kommunikations-Mann Max Geschäftsführerin Sua, was denn im digitalen Südkorea anders laufe als hierzulande. Ihre damalige Kernbotschaft lautete, Koreaner:innen forderten mehr ein und akzeptierten keine holprigen und langwierigen Prozesse. In ihrem vergangenen Urlaub bereiste Sua neben ihrem Heimatland auch Shanghai und Tokio. Was kann sie nun über die beiden „Nachbarn“ erzählen?

Sind Japan und China typische Urlaubsländer für Koreaner:innen?

Sua: Es gibt denke ich viele Koreaner:innen, die wie ich bereits viel von Europa gesehen haben, nichts aber von ihren Nachbarländern. Es herrschen nach wie vor Vorbehalte, vor allem wegen der kolonialen Vergangenheit und gegenseitigen Besetzungen. Wenn, dann gehen die Leute mal ein verlängertes Wochenende nach Japan, dafür gibt es verschiedene touristische Angebote. Von China allerdings haben viele noch ein überholtes Bild von einem Drittweltland.

Das hat sich sicher nicht bestätigt ..?

Sua: Ich war vor allem in Shanghai – also nein, ganz und gar nicht. Meine Eindrücke dort kamen schon eher einem Blick in die Zukunft gleich, selbst aus koreanischer Perspektive. Mir fiel bereits auf den Straßen auf: Die modernen chinesischen Autos in Pastellfarben passten so krass ins Stadtbild, da wirkte jeder schwarze Mercedes dazwischen irgendwie altbacken.

Ich stelle mir Städte wie Shanghai oder Tokio regelrecht erschlagend vor, und kommunikativ wäre ich lost. Wie kamst du klar?

Sua: Naja, ich komme ja aus Seoul, was auch nicht gerade klein ist. Aber ich spreche weder Chinesisch noch Japanisch. In der Schule lernt man in Korea ein paar chinesische Basiszeichen. Einen Ausgang finde ich dadurch zum Beispiel. Aber die Aussprache ist völlig anders. Auf Japanisch begreife ich bei kurzen Sätzen grob, um was es geht. Aber ich kann nur wenige einzelne Wörter verstehen.

Wie bist du dann zurechtgekommen?

Sua: In Shanghai sind wie in Seoul einfach viele Prozesse so digitalisiert, dass häufig kaum direkte Kommunikation nötig ist. Trotzdem erlebte ich die Menschen als sehr zuvorkommend und freundlich, gerade im Service-Bereich. Als zum Beispiel in der U-Bahn mein Roaming noch nicht funktionieren wollte, richtete mir ein Security-Mann mit seinem Handy einen Hotspot ein. Er blieb auch geduldig, als die Connection erst mal nicht klappen wollte. Oder ein Taxi-Fahrer, der mir spontan eine Stadtführung mithilfe einer Übersetzungs-App auf Koreanisch gab.

Wie war das sonstige U-Bahn-Erlebnis?

Sua: Die Bedienung der Terminals am Bahnsteig war richtig idiotensicher und benutzerfreundlich. Tippt man auf die Linie, erscheinen darauf die Stationen, die man dann anwählen kann, wonach sich dann der Preis richtet. Das kam mir alles sehr logisch vor. Dann den angezeigten Code mit Alipay oder WeChat scannen, fertig.

Die beiden genannten Apps gelten als „Super-Apps“ in China.

Sua: Zu Recht. Die vielfältige Nutzung fand ich schon sehr beeindruckend. Ich bin in China auf keine Dienstleistung gestoßen, für die ich nicht mit Alipay bezahlen konnte. Für mich als Touristin war das aber schon sehr bequem.

Wie kann man sich den Umgang damit genau vorstellen?

Sua: Im Restaurant zum Beispiel zeigte ich anfangs nur per Handzeichen an, wie viele Plätze benötigt werden. Am zugewiesenen Tisch ist dann ein Code scannbar, mit dem man über seine bevorzugte App die Bestellung tätigt und direkt bezahlt. Alles ist bebildert und häufig wird auch angezeigt, wie oft welche Gerichte bestellt werden – quasi als Empfehlung. Sobald man fertig ist, schwärmt der Service aus und beginnt mit dem Bedienen. Wenn man aufgegessen hat, steht man einfach auf und geht. Gut für Deutsche: Man kann die Tischrechnung auch aufteilen (lacht).

Aus Europa hört man dagegen oft Kritik an den Super-Apps – schließlich lässt man viele Daten an einem Ort.

Sua: Ganz klar. Und die vielen Überwachungskameras hinterlassen ebenfalls gemischte Gefühle. Richtig bedrückend fand ich zudem, welche Angaben man bei der Beantragung des Visums zu machen hatte. Die wissen jetzt auch, wer meine Vorgesetzten in den vergangenen Jahren waren oder was meine Eltern machen.

Also dann doch eher Finger weg von China als Digitalisierungs-Vorbild?

Sua: Natürlich darf es in Deutschland nicht solche Auswüchse geben. Aber den Datenschutz immer als Totschlagargument zu bringen und damit Vorhaben im Keim zu ersticken, das kann wirklich nicht länger unser Ansatz sein. So kriegen wir es nie hin, den Menschen einen angenehmeren Service zu bieten und das Personal zu entlasten. China kopierte lange uns, nun ist es in vielen Bereichen an der Zeit, dass wir uns dort und in anderen Ländern inspirieren lassen.

Über Japan hast du noch nicht viel erzählt …

Sua: Ich lag dort leider länger mit Corona flach. Im Anschluss fiel mir mit der Digitalisierungsbrille jedoch auf, dass man in Japan auch schon etwas ins Hintertreffen geraten ist. Es wird viel Bargeld gefordert, und im Vergleich zum neureichen, futuristischen Shanghai wirkt Tokio wie die vermögende alte Großtante. Da passt auch wieder der Mercedes besser ins Stadtbild (lacht). Die Japaner:innen haben zwar für alles einen gut funktionierenden, tief durchdachten Prozess. Wenn aber etwas schiefläuft, wenn das Protokoll nicht eingehalten wird, bricht beinahe Panik aus. Da sind Koreaner:innen anders. Dort legt sich immer jemand auch persönlich für dich ins Zeug, damit du bekommst, was du brauchst.

Wenn‘s nicht eh schon digital geregelt ist …

Sua: Ganz genau. Wobei ich dieses Mal in Seoul Ausweis, Reisepass und Führerschein vor Ort habe aktualisieren lassen müssen. Für die Smartphone-Beantragung fehlte mir eine koreanische Handynummer für die Identifizierung. Meinen neuen Führerschein bekam ich ohne Termin inklusive Fotoshooting in gut 40 Minuten direkt ausgehändigt, die Ausweispapiere kamen nach wenigen Minuten Formularausfüllen zwei Tage später per Post. Und von meinen spontanen und durchgetakteten Facharztbesuchen erzähle ich lieber keiner:m deutschen Kassenpatient:in …

Vergangenes Jahr waren deine Eltern zu Besuch in Deutschland. Wie kamen die hierzulande klar?

Sua: Meine Eltern sind spätestens mit dem Renteneintritt sehr tiefenentspannte Menschen. Im Urlaub umso mehr. Aber Verspätungen bei der Bahn oder sogar Zugausfälle waren schon neu und verwunderlich für sie. Einige gut gemeinte Tipps im Alltag musste ich auch mit „geht hier nicht“ oder „das dauert zwei Monate“ abschmettern. Wahrscheinlich taten sie das dann als Kulturunterschied ab.

Wohl eher Politikunterschied …

Sua: Ich erfuhr in Seoul, dass das kommunale Digitalisierungsamt knapp 1.500 Menschen beschäftigt, über 800 davon in einzelnen Bezirksämtern. So kann man natürlich auch mal Dinge wie ein kommunales Metaverse in die Wege leiten. Ein für mich spannender Use Case daraus: Schüler:innen, die sich unwohl dabei fühlen, Beratung persönlich in Anspruch zu nehmen, können sich in einem virtuellen Mentoring-Raum speziell für Jugendliche in Avatare verwandeln und dort Gespräche mit geschultem Personal führen. Auch das ist für mich Daseinsvorsorge.

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