Sua zu Besuch in ihrem Heimatland Südkorea

Blogpremiere. Schluss mit der elenden Geheimniskrämerei. smart and public zeigt Transparenz. In diesem, unserem ersten Beitrag interviewt Max Trompeter (Kommunikation) Geschäftsführerin Sua Hwang zu ihrem Heimatland Südkorea. „Wir Koreaner:innen fordern mehr“, ist eine der Kernaussagen von Suas maximal subjektiver Analyse zu ihren Landsleuten. Wie sich ihre pensionierten Eltern im Umland des 8.500 Kilometer entfernten Digitaldorado Seoul schlagen, wie sich der Datenschutz in den letzten Jahren entwickelt hat und was wir unbedingt bald übernehmen sollten: Hier zu erfahren in smart and publics Blog #1.

Max: Sua, wir starten ganz holakratisch: Wie kommst du rein?

Sua: Ich mag diese Frage! Ich komme mit einem guten Gefühl rein, ich freue mich, über mein Heimatland erzählen zu können. Klar, Freunde fragen mich immer wieder nach Südkorea. Aber so ausführlich, in einem Interview, das ist neu für mich. Wie kommst du rein, Max?

Max: Auch gut. Du erzählst im Arbeitsalltag immer mal häppchenweise, was dort schon digital möglich ist. Ich bin sehr gespannt, mehr zu erfahren.

Sua: Gerne.

Max: Wäre Digitalisierung ein Wettbewerb, hätte Deutschland dann eine Chance gegen Südkorea?

Sua: Südkorea ist in einigen Punkten Deutschland weit voraus. Es gibt schon seit ein paar Jahren flächendeckend 5G, der Lebensalltag ist durchdigitalisiert. Und während hier Metaverse als Idee noch belächelt wird, investieren dort Staat und Wirtschaft viel Geld für praktische Anwendungen. Zum Beispiel die Stadtverwaltung Seoul. Hier sollen nach und nach alle Dienstleistungen auch im digitalen Raum zu erledigen sein – noch dieses Jahr die ersten.

„In Deutschland beschwert man sich untereinander über den Besuch beim Amt, oder der Schaffner muss für die Verspätung herhalten. Koreaner:innen gehen gezielter vor, sie wollen eine Verbesserung herbeiführen, ganz pragmatisch.“

Max: Woher kommt dieses Engagement, dieser Ehrgeiz?

Sua: Sicher gibt’s da Untersuchungen, ich kann aber nur von meinen Erfahrungen berichten. Wie Deutschland knapp zehn Jahre früher, musste Südkorea in den Fünfzigern nach dem Korea-Krieg ebenfalls bei null anfangen. Von daher haben wir vielleicht die gleiche Anpackermentalität, den Fleiß. Was ich aber schnell hier bemerkte: Wir Koreaner:innen fordern mehr. Wenn etwas nicht sofort funktioniert, wenn irgendwo etwas fehlt, gehen wir dem nach und fragen nach dem Vorgesetzten.

Sua fragt einen Service-Roboter am Flughafen Seoul nach der nächstgelegenen Toilette.

Max: Das kennt man hier nur aus Restaurants – und das eigentlich auch nur aus dem Fernsehen.

Sua: Genau. In Korea wird das gelebt. In Deutschland beschwert man sich untereinander über den Besuch beim Amt, oder der Schaffner muss für die Verspätung herhalten. Koreaner:innen gehen gezielter vor, sie wollen eine Verbesserung herbeiführen, ganz pragmatisch. Und noch was kommt hinzu, das brachte mein Freund vor Kurzem super auf den Punkt. Auf die Frage eines Freundes beim gemeinsamen Abendessen, „wie Koreaner:innen eigentlich so sind“, meinte er: „Sie haben eine sehr hohe Erwartungshaltung an Servicequalität.“ Das hat er gut beobachtet.

Max: Wie können wir uns das digitale Leben in Korea noch besser vorstellen?

Sua: Ich habe vorhin mal nachgeschaut: 95 Prozent der Südkoreaner nutzen ein Smartphone. Und die Leute machen damit nicht nur Fotos und schreiben Nachrichten. Sie bezahlen damit, regeln ihren Alltag. Und alles scheint mir flüssiger zu gehen. Ob beim Arzt, wo kein Papierkram auszufüllen ist, oder beim Banking. Bereits 2008, als ich nach Deutschland kam, war ich schockiert, dass es so etwas wie „Überweisung“ noch gibt und die eine Woche dauern kann.

„Die [koreanische] Regierung ist aufmerksamer beim Thema Datenschutz geworden und gerade bei Corona wurde ständig nachgeschärft.“

Max: Deine Eltern sind pensioniert, über 60 und leben im Speckgürtel des superdigitalen Seoul. Wie erleben sie die Digitalisierung? Fühlen sie sich mitgenommen?

Sua: Sie machen alles mit dem Smartphone und kommen ohne Geldbeutel aus. Ihre erste Informationsquelle sind die koreanische Plattform NAVER und YouTube. Und meine Eltern fragen einfach nach, wenn etwas hakt. Genauso wie eine mir unbekannte ältere Frau, die mich im Fitnessstudio in Seoul einfach anquatschte und mich als Vertreterin der jüngeren Generation wie selbstverständlich darum bat, ihr etwas in ihrer App zu zeigen. Aus Deutschland kenne ich das nicht.

Mit wenigen Klicks zum Corona-Geld: Südkoreaner:innen fordern Servicequalität – und bekommen sie.

Max: Was gerade in der Corona-Zeit aus Südkorea hierzulande aufschlug, waren Berichte über schwachen Datenschutz, über offen einsehbare persönliche Daten, etwa zur staatlichen Bewegungsverfolgung. Wie hast du das wahrgenommen?

Sua: Gerade zu Beginn der Krise stellte der Staat den Pandemieschutz klar vor den Datenschutz. Das führte sogar dazu, dass viele Menschen mehr Angst vor der öffentlichen Markierung als Covid-positiv hatten als vor der Krankheit selbst. Aber seit Frühjahr 2020 hat sich vieles verändert. Die Regierung ist aufmerksamer beim Thema Datenschutz geworden und gerade bei Corona wurde ständig nachgeschärft.

„Vor allem in unserem Bereich als smart and public, bei der Transformation der öffentlichen Hand hin zu einer Smart City und Smart Region liegen noch viele Aufgaben vor uns – aber auch viele Möglichkeiten.“

Max: Was würdest du am liebsten sofort übernehmen wollen aus Korea?

Sua: Vieles. Aber als ich das letzte Mal zu Besuch war, bekam ich mit, dass man in der Region meiner Eltern ein Corona-Geld beantragen konnte, das man nur im lokalen Handel und der örtlichen Gastronomie ausgeben konnte. Ich bat meine Mutter, das Prozedere für sie zu übernehmen, um den Ablauf mal sehen zu können. Sie hatte eine Mail bekommen, in der man einen Button drücken sollte. Vier kurze, prägnante und auf Augenhöhe formulierte Seiten – sogar mit Emoticons – erwarteten mich. Über Handynummer identifizieren, den betroffenen Haushalt und die Empfänger-Kreditkarte wählen, vielen Dank, das wars. Daneben vibrierte das Smartphone meiner Mutter, das Geld war überwiesen. Das nenne ich „convenient“, einfach, praktisch und schnell. Ich brauchte dafür zehn Minuten, aber nur, weil ich ständig Screenshots machen musste, weil ich so begeistert war.

Max: Wie kommen wir auch da hin?

Sua: Wir müssen auf jeden Fall weg davon, jedes Mal das Rad neu erfinden zu wollen. In Asien, den USA, aber auch in anderen europäischen Ländern gibt es viele Beispiele, wie sonst aufwendige Vorgänge durch Digitalisierung erleichtert wurden. Bevor wir Vorreiter sein können, sollten wir uns mit deren Lösungen und Erkenntnissen beschäftigen, Sachen adaptieren und auf unsere Bedürfnisse anpassen. „Convenience“-getrieben. Vor allem in unserem Bereich als smart and public, bei der Transformation der öffentlichen Hand hin zu einer Smart City und Smart Region liegen noch viele Aufgaben vor uns – aber auch viele Möglichkeiten.

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